Insolvenzantragspflicht: Unscheinbare Änderung- Große Auswirkung
Die am 25.09.2020 verabschiedete Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes kommt über ein paar Zeilen im Bundesgesetzblatt nicht hinaus, entfaltet aber im Gegensatz zu manch anderen Regelungen eine hohe praktische Relevanz.
Zu Beginn der Corona-Krise hatte der Gesetzgeber mit einem umfangreichen „Mantelgesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ v. 27.03.2020 gewichtige Neuregelungen erlassen. Es sollte für die von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen zumindest kurzfristig insolvenzrechtlichen Handlungsspielraum verschaffen, indem die Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt wurde. Diese, zunächst bis zum 30.09.2020 befristeten Regelungen, wurden nunmehr in modifizierter Form bis zum 31.12.2020 verlängert. Und diese Modifikationen haben es in sich:
Mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung ist die Insolvenzantragspflicht im Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2020 nämlich lediglich noch im Falle der Überschuldung und nicht bereits bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt.
Zur Unterscheidung:
- Ein Schuldner ist nach § 17 Abs. 2InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Kann er jedoch seine Liquiditätslücke innerhalb von drei Wochen vollständig und nachhaltig schließen, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor.
- Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Sofern eine positive Fortbestehensprognose vorliegt, d.h. die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit überwiegend wahrscheinlich ist, liegt eine Überschuldung nicht vor.
Für bereits zahlungsunfähige Unternehmen endete die Schonung also am 30.09.2020. Nun wurden in der Vergangenheit weit mehr als 90% der Insolvenzanträge in Deutschland wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt und es ist davon auszugehen, dass sich dies auch in der Corona-Krise nicht wesentlich geändert hat. Dies bedeutet aber, dass für die weit überwiegende Anzahl der betroffenen Unternehmen die Insolvenzantragspflicht seit dem 30.09.2020 mit allen Konsequenzen der Nichtbeachtung wieder in Kraft ist.
Ob dies in der öffentlichen Wahrnehmung so angekommen ist, ist dabei deutlich in Frage zu stellen. Kann man davon ausgehen, dass die feingliederige Unterscheidung des Insolvenzrechts in den Köpfen der betroffenen Unternehmer präsent ist? In der Mehrheit der Fälle wohl kaum.
In der Breite wird die falsche Botschaft ankommen, dass die Insolvenzantragspflicht bis zum Ende des Jahres ausgesetzt ist. Dann aber ist die Insolvenzverschleppung im Zweifel längst verübt und die persönliche Haftung eingetreten.