Risiko eines inländischen Orts der Geschäftsleitung bei Auslandsgesellschaften
Bei ausländischen Gesellschaften mit ausschließlich im Inland ansässigen Geschäftsführern unterstellt die Finanzverwaltung häufig einen inländischen Ort der Geschäftsleitung. Dies gilt insbesondere für Gesellschaften ohne ausreichende Substanz (in Form von Mitarbeitern und üblicher Büroinfrastruktur) oder ohne nachweisbare Betriebsstätte im Ausland.
Diese Thematik hat aufgrund der zunehmenden Mobilität bei Geschäftsführern eine sehr hohe Aktualität und stellt zwischenzeitlich auch ein zentrales Prüfungsfeld in Betriebsprüfungen dar, insbesondere bei rein vermögensverwaltenden Gesellschaften. Sofern der Nachweis eines ausländischen Orts der Geschäftsleitung nicht erbracht werden kann, unterliegt der Gewinn der ausländischen Gesellschaft im Inland der Körperschaft- und Gewerbesteuerpflicht. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) zuletzt in einem wegweisenden Urteil vom 23.03.2022 bestätigt, worauf auch die Finanzverwaltung im aktualisierten Anwendungserlass zur AO vom 20.02.2024 Bezug nimmt.
Der Ort der Geschäftsleitung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dort, wo der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und dauerhaft die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit im Rahmen der laufenden Geschäftsführung angeordnet bzw. wahrgenommen werden. Hierzu zählen die Leitungshandlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte wie z.B. der Abschluss wichtiger Verträge, die Einstellung neuer Mitarbeiter, das Controlling oder die Abwicklung der Buchhaltung und des Zahlungsverkehrs).
Praxishinweis:
Der Nachweis eines ausländischen Orts der Geschäftsleitung scheitert in der Betriebsprüfungspraxis häufig an der erhöhten Mitwirkungspflicht für Auslandssachverhalte, die eine weitreichende Beweisvorsorgepflicht zur Folge hat. Um dies zu vermeiden, sollten die o.g. Leitungshandlungen ausführlich protokolliert werden, einschl. einer Dokumentation der räumlichen Anwesenheit des Geschäftsführers am ausländischen Ort der Geschäftsleitung. Dieser sollte über eine ausreichende Substanz in Form einer üblichen Büroinfrastruktur und Mitarbeiter verfügen. Besonders empfehlenswert zur Risikominimierung ist die Bestellung eines im Ausland ansässigen operativ tätigen (weiteren) Geschäftsführers.