Chef-Ökonom warnt vor Pleitewelle der „Zombie“-Firmen
Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, warnt vor heftigen Folgen, die der Wirtschaft durch die politischen Rettungsversuche drohen. Grund ist das im März verabschiedete Insolvenz-Aussetzungsgesetz, welches insolventen Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht bis (mindestens) zum 30. September erspart. Dies sei keine gute Idee gewesen, so Felbermayr in der „Bild am Sonntag“ vom 28. Juni 2020: „Wenn die Pflicht wieder einsetzt, droht dem Land ein massiver Anstieg der Insolvenzen.“ Die Rettungsmilliarden, die der Staat als Kredite an krisengeplagte Firmen vergeben habe, könnten dann zum Pleitegrund werden. „Es gibt ‚Zombie‘-Firmen, die in den vergangenen Wochen nur deshalb überleben konnten, weil sie durch staatliche Notkredite gestützt wurden. Da wird es noch ein böses Erwachen geben“, warnt Felbermayr.
Hintergrund:
Gemäß § 15 a InsO sind die Geschäftsführer einer juristischen Person dazu verpflichtet, unverzüglich Insolvenz anzumelden, wenn die Gesellschaft als überschuldet anzusehen ist oder die Zahlungsunfähigkeit eintritt. Nach Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit darf der Geschäftsführer den Betrieb nicht fortführen. Verstößt er gegen dieses Verbot, so haftet er für sämtliche Zahlungen, die zwischen dem Tag der Insolvenzreife und dem Tag der tatsächlichen Stellung des Insolvenzantrages noch aus dem Vermögen der insolventen Gesellschaft getätigt werden. Diese Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wurde vom Gesetzgeber bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Ziel der Aussetzung ist es, die Fortführung der von der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen zu ermöglichen und zu erleichtern. Den betroffenen Unternehmen und ihren organschaftlichen Vertretern soll Zeit gegeben werden, notwendige Maßnahmen zu treffen, insbesondere um zur Existenzsicherung staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen oder Finanzierungs- oder Sanierungsarrangements mit Gläubigern und Kapitalgebern zu treffen.
Ob die von Felbermayr prognostizierte Insolvenzwelle indes bereits zum Ende des Jahres einsetzt, hängt unter anderem maßgeblich davon ab, wie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hinsichtlich einer Verlängerung des COVID-Insolvenz-Aussetzungsgesetzes entscheidet. Das BMJV wurde jedenfalls bereits im März dazu ermächtigt, diese Aussetzung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bis zum 31.März 2021 zu verlängern, wenn dies
- aufgrund fortbestehender Nachfrage nach verfügbaren öffentlichen Hilfen,
- andauernder Finanzierungsschwierigkeiten oder
- sonstiger Umstände geboten erscheint.
Wie der Vorsitzende des Instituts für Insolvenzrecht eV, Professor Dr. Volker Römermann, in einem Beitrag für die NJW (NJW 2020, 1108) zurecht ausführt, sind damit die Voraussetzungen einer Verlängerung denkbar unbestimmt formuliert und lassen alle Möglichkeiten offen. „Nachfrage“ nach öffentlichen Hilfen werde es im Grunde immer geben. Gleiches gelte für „Finanzierungsschwierigkeiten“ von Unternehmen. „Diese Schwierigkeiten sind umso leichter vorhersehbar, als sich die Bundesregierung zeitgleich zu einem gigantischen Bürgschafts- und Kreditprogramm entschlossen hat, um die Wirtschaft von der kurzfristigen Insolvenz zu bewahren. Den Unternehmen werden im Ergebnis in vielen Branchen Darlehenslasten aufgebürdet, von denen vorhersehbar ist, dass sie nicht bewältigt werden können.“, so Römermann.