Doppelte Haushaltsführung – Voraussetzungen und Beweisvorsorge
Arbeitnehmer können die notwendigen Mehraufwendungen, die aufgrund einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, als Werbungskosten ansetzen. Dabei geht es insbesondere um Fahrtkosten vom Hauptwohnsitz zum berufsbedingt bezogenen Nebenwohnsitz sowie um die am Arbeitsort anfallenden Wohnungskosten. In der Praxis kommt es aber leider immer wieder zu Problemen bei der Nachweisführung insbesondere bezüglich des Hauptwohnsitzes und des Beibehalts des Lebensmittelpunktes. Dem kann regelmäßig nur durch entsprechend rechtzeitige Beweisvorsorge begegnet werden.
Unter drei Voraussetzungen können die pauschalen Verpflegungs-, die tatsächlichen Fahrt- (inkl. der pauschalen Familienheimfahrtkosten) und die (tatsächlichen) Übernachtungskosten als Mehraufwand abgezogen werden:
- Unterhalt eines eigenen Hausstands am Wohnort,
- berufliche Veranlassung,
- zweite Wohnung an der ersten Tätigkeitsstätte.
Die Nachweispflicht für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung trägt der Steuerpflichtige. Die Feststellungslast umfasst auch eine entsprechende Beweisvorsorgepflicht.
In der Praxis stellt insbesondere bei Alleinstehenden o.ä. der Nachweis von Punkt 1 eine Herausforderung dar.
- Unterhalt eines eigenen Hausstands
Das Vorliegen eines eigenen Hausstands setzt zunächst das Innehaben einer Wohnung aus eigenem Recht als Eigentümer oder Mieter bzw. aus abgeleitetem Recht als Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte sowie Mitbewohner voraus. In dieser Wohnung muss der Arbeitnehmer einen Haushalt unterhalten, das heißt, er muss die Haushaltsführung bestimmen oder wesentlich mitbestimmen. Im Einzelnen:
Abgeschlossene Wohnung
Vom Unterhalten eines eignen Haushalts ist regelmäßig auszugehen, wenn der Haushalt in einer in sich geschlossenen Wohnung geführt wird, die nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet[1].
Entgeltlichkeit
Die Entgeltlichkeit der Nutzung einer Wohnung ist keine unerlässliche Voraussetzung aber ein Indiz für die Beantwortung der Frage, ob ein eigener Hausstand unterhalten wird.
Nutzung aus abgeleitetem Recht
Eine Wohnung wird (für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung unschädlich) aus abgeleitetem Recht genutzt, wenn diese zwar allein vom Lebenspartner des Steuerpflichtigen angemietet wurde, der Steuerpflichtige sich aber mit Duldung seines Partners dauerhaft dort aufhält und sich finanziell in einem Umfang an der Haushaltsführung beteiligt, der darauf schließen lässt, dass eine gemeinsame Haushaltsführung vorliegt.
Einbindung in elterlichen Haushalt
Nach Auffassung der Finanzverwaltung[2] genügt es regelmäßig nicht, wenn der Arbeitnehmer z. B. im Haushalt der Eltern lediglich ein oder mehrere Zimmer unentgeltlich bewohnt oder wenn dem Arbeitnehmer eine Wohnung im Haus der Eltern unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird.
Ein eigener Haushalt wird demnach nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt und die Kosten des Hausstands selbst trägt, sondern in einen fremden Haushalt eingegliedert ist, sodass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann.
Dem war die Rechtsprechung[3] entgegengetreten und geht davon aus, dass erwachsene, wirtschaftlich eigenständige und berufstätige Kinder regelmäßig – insbes., wenn die Wohnung am Beschäftigungsort lediglich als Schlafstätte dient – maßgeblich zur Führung des Hausstandes beitragen. Eine Entgeltlichkeit (Beiträge in eine gemeinsame Haushaltskasse, Zahlung von Teilen der Miete oder einer Untermiete o.ä.) war für den BFH dabei ein gewichtiges Indiz, jedoch keine unabdingbare Voraussetzung.
In Reaktion auf diese positive Rechtsprechung verlangt der Gesetzgeber seit 01.01.2014[4] in diesen Fällen eine (nachgewiesene) finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung (laufende Kosten der Haushaltsführung). Die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung ist darzulegen und kann auch bei volljährigen Kindern, die bei ihren Eltern oder einem Elternteil wohnen, nicht generell unterstellt werden. Die Kostenbeteiligung sollte mehr als 10% der regelmäßig anfallenden laufenden Kosten der Haushaltsführung (z. B. Miete, Mietnebenkosten, Kosten für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs) betragen.
Zusätzlich zu beachtende Aspekte
Über die Existenz eines Hausstandes hinaus muss es sich bei der Hauptwohnung auch um den Lebensmittepunkt handeln und sie muss regelmäßig aufgesucht werden:
Lebensmittelpunkt
Bei einem verheirateten Arbeitnehmer befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen regelmäßig am tatsächlichen Wohnort seiner Familie.
Bei anderen (nicht verheirateten) Arbeitnehmern befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an dem Wohnort, zu dem die engeren persönlichen Beziehungen bestehen. Die persönlichen Beziehungen können ihren Ausdruck besonders in Bindungen an Personen, z.B. Eltern, Verlobte, Freundes- und Bekanntenkreis finden, aber auch in Vereinszugehörigkeiten und anderen Aktivitäten.
Bei nicht verheirateten Arbeitnehmern geht man allgemein davon aus, dass sich der Lebensmittelpunkt nach gewisser Dauer an den Beschäftigungsort verlagert und die Heimatwohnung nur noch für Besuchszwecke vorgehalten wird[5]. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet sind und welche Größe sie haben. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, wo sich Bezugspersonen des Arbeitnehmers überwiegend aufhalten.
Regelmäßiger Aufenthalt an Wochenenden
Die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung setzt regelmäßig voraus, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass er sich – abgesehen von Urlauben – an den Wochenenden regelmäßig an dem Hausstand am Heimatort aufgehalten hat. Die Finanzverwaltung erwartet dabei regelmäßige Heimfahrten alle zwei Wochen, während die Rechtsprechung im Einzelfall (abhängig auch von den zurückgelegten Distanzen) auch bei weniger Fahrten eine doppelte Haushaltsführung bejaht hat, wenn am Lebensmittelpunkt auch bei Abwesenheit des Steuerpflichtigen ein haushaltswirtschaftlicher Betrieb herrscht (durch Ehepartner o.ä.). Die Zahl der Heimfahrten ist aber in der Praxis in jedem Fall ein wesentliches Indiz für den Beibehalt des Hauptwohnsitzes als Lebensmittelpunkt.
Langes Anhalten einer doppelten Haushaltsführung
Bei einer mehr als fünfjährigen Auswärtstätigkeit muss substantiiert dargelegt und nachgewiesen werden, weshalb der Lebensmittelpunkt noch am Heimatort liegt.
Negative Abgrenzung
Nur sporadische/seltene Besuche am Heimatort
Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder Ferienaufenthalte ist nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Verfügt der Arbeitnehmer an seinem Beschäftigungsort über eine Wohnung, die an Größe und Ausstattung die Zimmer im elterlichen Einfamilienhaus übertrifft, spricht vieles dafür, dass das Zimmer bei den Eltern lediglich für Besuchszwecke vorgehalten wird.
Zusammenfassung und Beweisvorsorge Hausstand/Lebensmittelpunkt
Angesichts der Vielzahl an Parametern wird über das Vorliegen/Nichtvorliegen eines eigenen Hausstandes regelmäßig und laut Rechtsprechung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse entschieden. Folgende Gesichtspunkte sprechen für einen solchen Hausstand und dem Beibehalt des Lebensmittelpunktes am Hauptwohnsitz:
- Nutzung einer Wohnung am Hauptwohnsitz aus eigenem Recht (Zahlung einer Miete)
- Wohnung am Hauptwohnsitz ist im Hinblick auf Größe und Ausstattung besser ausgestattet als die an der Tätigkeitsstätte
- Bei Einbindung in einem elterlichen Haushalt ist das Vorliegen einer finanziellen Beteiligung (gesetzlich) unabdingbare Voraussetzung für eine Anerkennung
- Dokumentierte/nachgewiesene regelmäßige Heimfahrten an den Wochenenden
- Nachweis des Beibehalts des Lebensmittelpunkts am Hauptwohnsitz:
- Familienwohnung mit Ehegatten und Kindern und/oder
- gesellschaftliche Eingliederung am Wohnsitzort (Vereinsmitgliedschaften, Ausüben von Ehrenämtern, Arztbesuche, örtliche Bankverbindung, häufige nachweisbare Aufenthalte etc.)
Daraus folgt:
- Dokumentieren Sie alle Fahrten zwischen Hauptwohnsitz und der Wohnung der ersten Tätigkeitsstätte mit Reisedaten (Datum) und verwendeten Verkehrsmitteln. Bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln heben Sie die Rechnungen auf. Bei Fahrten mit Mitfahrzentralen oder Fahrgemeinschaften dokumentieren Sie das verwendete Fahrzeug (Kennzeichen) und/oder heben Quittungen für die Unkostenbeteiligung auf.
- Dokumentieren Sie sämtliche am Hauptwohnsitz anfallenden Kosten (Miete/Mietvertrag, Kostenbeteiligung im Falle einer Einbindung in einem elterlichen Haushalt => Zahlungsbelege/Bankauszüge). Da die Entgeltlichkeit ein gewichtiges Indiz (bzw. bei Einbindung in einen elterlichen Haushalt sogar Anspruchsvoraussetzung) darstellt, sollte dieser Aspekt von Anfang an bei Vereinbarungen und internem Ablauf berücksichtigt werden. Beweiskräftig sind Mietverträge, Kostenbeteiligungsverträge und Zahlungsnachweise (Bankbelege).
- Dokumentieren Sie Größe und Ausstattung der Wohnungen.
- Dokumentieren Sie Vereinsmitgliedschaften, ehrenamtliche Tätigkeiten u.ä. am Heimatort durch Zahlungsnachweise, durch Sitzungs- oder Anwesenheitsprotokolle im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten u.ä.; selbst nach Belegen für die Zahlung der Gebühren des öffentlichen Rundfunks wird in strittigen Fällen gefragt.
- Dokumentieren Sie Arztbesuche, das Aufsuchen von Optikern o.ä. am Hauptwohnsitz durch entsprechende Belege (Rechnungen und andere schriftliche Unterlagen)
- Berufliche Veranlassung
Die doppelte Haushaltsführung muss aus beruflichem Anlass begründet werden. Der Zweithaushalt muss konkreten beruflichen Zwecken dienen. Das ist i.d.R. der Fall, wenn der Arbeitnehmer diesen nutzt, um von dort aus seine erste Tätigkeitsstätte aufzusuchen und dabei erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse verwirklicht. Ein beruflicher Anlass ist in folgenden Fällen grundsätzlich zu bejahen[6]:
- Versetzung durch den Arbeitgeber,
- Wechsel des Arbeitgebers oder Begründung einer erstmaligen Beschäftigung,
- bei einem Studenten der Antritt eines Studiums, wenn die Universität die erste Tätigkeitsstätte bildet, vgl. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG,
- wenn der Steuerpflichtige die Wohnung am Beschäftigungsort nutzt, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können; vgl. H 9.11 (1–4) [Berufliche Veranlassung] LStH,
- beim sog. Wegverlegungsfall.
Im sog. Wegverlegungsfall verlegt ein Arbeitnehmer seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort weg und begründet darauf in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt, um von dort seiner Beschäftigung weiter nachgehen zu können. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Wegverlegung des Lebensmittelpunktes auf Dauer zu erfolgen hat.
Auseinanderfallen/Distanz zwischen Hauptwohnsitz und erster Tätigkeitsstätte
Seit 1.1.2014 kann aus Vereinfachungsgründen von einer Zweitunterkunft oder -wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte dann noch ausgegangen werden, wenn der Weg von der Zweitunterkunft oder -wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt. Befinden sich der eigene Hausstand und die Zweitwohnung innerhalb desselben Ortes (derselben Stadt oder Gemeinde) kann für die Frage der beruflichen Veranlassung ebenfalls diese Vereinfachungsregelung (Entfernung Zweitwohnung und erste Tätigkeitsstätte im Vergleich zur Entfernung zwischen Hauptwohnung und ersten Tätigkeitsstätte) herangezogen werden[7].
- Wohnen an der ersten Tätigkeitsstätte (Beschäftigungsort)
Als weiteres Tatbestandsmerkmal sieht der Gesetzgeber vor, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte wird in § 9 Abs. 4 EStG definiert, so dass die Vorgaben der Reisekostenreform 2014 auch für die doppelte Haushaltsführung von enormer Bedeutung sind. Problematische und im Einzelfall zu prüfende Sachverhalte stellen Fälle dar, bei denen der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten (zB unterschiedliche Niederlassungen, Baustellen o.ä.) tätig ist. Auf diese fallspezifischen Probleme soll aber an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.
Die Zweitwohnung muss für eine gewisse Dauer eine Unterkunft sein, die ständig vom Arbeitnehmer genutzt werden kann. Es kommen insbes. Miet- oder Eigentumswohnungen, Ferienwohnungen bzw. möblierte Zimmer in Betracht. Es ist unerheblich, wie oft der Arbeitnehmer tatsächlich in der Zweitwohnung übernachtet. Die doppelte Haushaltsführung ist auch beruflich veranlasst, wenn der Steuerpflichtige den Zweithaushalt in einer Wohngemeinschaft einrichtet[8].
Die Zweitwohnung muss es zudem ermöglichen, dass der Stpfl. seine Arbeitsstätte von dort täglich in zumutbarer Weise aufsuchen kann.
Steuerlichen Folgen
Soweit das Vorliegen der Voraussetzungen nachgewiesen werden kann, kommen als (Werbungskosten-)Ansatz für notwendige Mehraufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung insbesondere die folgenden Kostenfaktoren in Betracht:
- Fahrtkosten zu Beginn sowie zur Beendigung der doppelten Haushaltsführung sowie die wöchentlichen Familienheimfahrten;
- Verpflegungsmehraufwendungen;
- Unterkunftskosten/Aufwendungen für die Zweitwohnung;
Die steuerlichen Effekte sind also regelmäßig erheblich. Auch wenn die o.g. Nachweisführung also zweifellos Mühe macht, so lohnt sich diese in vielen Fällen sehr.
[1] BFH vom 28.3.2012, VI R 87/10, BFH/NW 2012, 1231
[2] BMF-Schreiben vom 24.10.2014, Rz. 100
[3] BFH vom 16.1.2013, Az. VI R 46/12
[4] vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG
[5] FG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 8.9.2016, 6 K 511/13)
[6] Vgl. LStR 9.11 Abs. 2
[7] Das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.6.2016, 1 K 3229/14, EFG 2016, 1423 Nr. 17) verlangte indes, dass der eigene Hausstand und die Zweitwohnung an der ersten Tätigkeitsstätte auseinanderfallen müssen. Ein Arbeitnehmer wohne bereits dann am Beschäftigungsort (und eine Zweitwohnung sei daher nicht als berufsbedingt anzuerkennen), wenn er von seiner (Haupt-)Wohnung aus ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich aufsuchen könne. Dabei würden Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen liegen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen.
[8] BFH vom 28.3.2012, VI R 25/11, DStR 2012, 1436