Reguläre Hinzurechnungsbesteuerung: Anwendung des Motivtests gegenüber Drittstaaten wie der Schweiz sofern die ausländische Kapitalgesellschaft über eine ausreichende wirtschaftliche Substanz verfügt
Die Finanzverwaltung hat dem Vernehmen nach aufgrund der jüngsten BFH-Rechtsprechung im Urteil vom 18.12.2019 die Anwendung des EU-Motivtests § 8 Abs. 2 AStG im Rahmen der regulären Hinzurechnungsbesteuerung auch im Verhältnis zu Drittstaaten wie der Schweiz nun akzeptiert, sofern die ausländische Kapitalgesellschaft über eine gewisse wirtschaftliche Substanz verfügt.
Für deutschbeherrschte ausländische Kapitalgesellschaften, die einer Niedrigbesteuerung unterliegen, greift die Hinzurechnungsbesteuerung, sofern die Gesellschaft passive Einkünfte erzielt. Als Folge gelten deren Gewinne fiktiv an die Gesellschafter ausgeschüttet, ohne dass die nationalen Steuervergünstigungen für Dividenden anwendbar sind. Innerhalb der EU/des EWR kann die Anwendung der HZB aber vermieden werden, sofern über den sog. Motivtest gem. § 8 Abs. 2 AStG nachgewiesen werden kann, dass wirtschaftliche Gründe für die Einschaltung der Kapitalgesellschaft bestehen und der EU/EWR-Staat Auskünfte an Deutschland erteilt.
Nachdem der BFH mit Urteilen vom 22.05.2019 und 18.12.2019 eine Beschränkung der mit Drittstaatenschutz ausgestatteten Kapitalverkehrsfreiheit durch die Hinzurechnungsbesteuerung – mangels Gegenbeweismöglichkeit in Form des Motivtests – bejaht hatte (vgl. hierzu unseren Blog vom 03.11.2020), besteht nun mehr Klarheit hinsichtlich der Anwendung dieser Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung. Dem Vernehmen nach sollen die beiden Urteile im März 2021 im Bundsteuersteuerblatt mit einem begleitenden BMF-Schreiben veröffentlicht werden. Darin soll geregelt werden, nach welchen Kriterien im Verhältnis zu Drittstaaten ein Gegenbeweis gegen eine künstliche Gestaltung in Form des o.g. Motivtests möglich ist, sofern mit dem Ansässigkeitsstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft ein Informationsaustausch besteht.
Nachdem die Finanzverwaltung nun wohl akzeptiert hat, dass im Verhältnis zur Schweiz ein ausreichender Informationsaustausch besteht, kann die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung für CH-Kapitalgesellschaften vermieden werden, sofern diese über eine gewisse wirtschaftliche Substanz verfügen. Dieser „Substanztest“ soll nach dem geplanten BMF-Schreiben einzelfallbezogen erfüllt sein, sofern die Gründung der ausländischen Kapitalgesellschaft durch den ausländischen Beschaffungs- oder Absatzmarkt wirtschaftlich begründet ist. Im Ergebnis soll also in Form einer einzelfallbezogenen Prüfung vorrangig die Motivation der Gesellschaftsgründung maßgeblich sein. Damit wäre der Motivtest für solche CH-Kapitalgesellschaften als erfüllt anzusehen, die nachweislich zur Erschließung oder Sicherung des CH-Absatzmarkts gegründet wurden, was gerade in der mittelständischen Praxis sehr häufig der Fall ist. Die aktuelle Hinzurechnungsbesteuerung wäre damit rückwirkend seit 2011 nicht mehr auf absatzmarktorientierte CH-Tochterkapitalgesellschaften deutscher Unternehmen anwendbar.
Allerdings dürfte das im Rahmen der Reform der Hinzurechnungsbesteuerung zur Umsetzung der EU-ATAD-Richtlinie vorgesehene mehrheitsorientierte Beherrschungskonzept dazu führen, dass die – nur innerhalb der EU anwendbare – Niederlassungsfreiheit die auch für Drittstaaten anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt, womit der Substanztest für Drittstaaten wie die Schweiz nicht mehr anwendbar wäre. Dem Vernehmen nach dürfte die Reform der Hinzurechnungsbesteuerung aber nicht mehr vor der Bundestagswahl verabschiedet werden, so dass die Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zu Drittstaaten wie der Schweiz bis einschließlich 2021 nicht mehr anwendbar wäre, sofern der Nachweis einer beschaffungs- oder absatzmarktbezogenen Motivation für die Gründung der ausländischen Kapitalgesellschaft erbracht werden kann.