Versandhandel wird zum Fernverkehr
Durch die Verabschiedung des „Jahressteuergesetzes 2020“ hat der Gesetzgeber weitreichende Änderungen in der Umsatzsteuer umgesetzt, die zum 01.07.2021 Anwendung finden.
Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Änderungen:
1. Innergemeinschaftlicher Fernverkauf
Die bisherige Versandhandelsregelung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen an Nichtunternehmer wird zum 30.06.2021 abgeschafft. Ersetzt wird diese nun durch die neue Regelung des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs mit Besteuerung im sog. EU-Bestimmungsmitgliedstaat (= sog. Bestimmungslandprinzip). Auch die bisherigen länderspezifischen Lieferschwellen werden durch eine EU-einheitliche Umsatzschwelle von 10.000 € pro Jahr ersetzt.
Hinweis: Durch die relativ niedrige, EU-einheitliche, Umsatzschwelle von 10.000 € pro Jahr wird diese häufig in der Praxis überschritten werden. Um Registrierungs- und Steuerklärungspflichten in mehreren EU-Mitgliedstaaten zu vermeiden, empfiehlt sich die Teilnahme am sog. One-Stop-Shop („OSS-Verfahren“; EU-Regelung). Hier ist zu beachten, dass eine Teilnahme am OSS nicht nachträglich beantragt werden kann, sondern vor dem entsprechenden Besteuerungszeitraum der Finanzbehörde anzuzeigen ist. Vorab-Registrierungen für die Sonderregelung sind über das BZStOnline-Portal (BOP) bereits seit dem 01.04.2021 möglich.
Das OSS-Verfahren (EU-Regelung) ist ein elektronisches Portal, das vor allem geeignet ist für:
- in der EU ansässige Unternehmer, die Lieferungen an Nichtunternehmer in einem Mitgliedstaat tätigen sowie
- Unternehmer, die nicht in der EU niedergelassen sind, aber im Inland über ein Warenlager verfügen und Fernverkäufe von Waren innerhalb der EU tätigen
2. Fernverkauf und Einfuhr aus dem Drittland
Die umsatzsteuerrechtliche Neuregelung nach dem sog. Bestimmungslandprinzip findet auch Anwendung
- sofern ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in einen EU-Mitgliedstaat zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr eingeführt wird, um anschließend in einen anderen Mitgliedstaat weitergeliefert zu werden (Transitverkehr) sowie
- bei Wareneinfuhren in einen EU-Mitgliedstaat, wenn die Sendungen aus dem Drittlandsgebiet höchstens einen Sachwert von 150 € haben. Zusätzliche Bedingung hierfür ist, dass das besondere Besteuerungsverfahren „Import-One-Stop-Shop“ („IOSS-Verfahren“) angewendet wird.
Ab dem 01.07.2021 unterliegen alle Handelsgüter, die aus einem Drittland in die EU eingeführt werden, unabhängig von ihrem Wert der Umsatzsteuer. Das IOSS-Verfahren als elektronisches Portal für Einfuhren erleichtert Lieferanten und elektronischen Schnittstellen aus Drittländern die Erhebung, Erklärung und Zahlung der Umsatzsteuer bei Fernverkäufen von importierten Waren.
3. Lieferkettenfiktion bei Warenlieferungen über elektronische Schnittstellen (z.B. über einen elektronischen Marktplatz)
Bei Warenlieferungen durch einen Unternehmer über eine elektronische Schnittstelle an Nichtunternehmer ins übrige Gemeinschaftsgebiet wird die Steuerschuldnerschaft für die hier anfallende Umsatzsteuer auf den Betreiber der elektronischen Schnittstelle verlagert. Dabei wird eine Lieferkette vom Unternehmer an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle sowie vom Betreiber der elektronischen Schnittstelle an den Nichtunternehmer fingiert.
Hinweis: Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle kann am besonderen Besteuerungsverfahren des sog. One-Stop-Shops („OSS-Verfahren“; EU-Regelung) zur Vermeidung von Registrierungs- und Steuerklärungspflichten in mehreren EU-Mitgliedstaaten teilnehmen.