Wegfall der Wegzugsbesteuerung nur bei Glaubhaftmachung der Rückkehrabsicht
Hintergrund: Die sog. „Wegzugsbesteuerung“ kommt zum Tragen, sofern Steuerpflichtige, die mindestens zehn Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und Anteile an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften mit einer Mindestbeteiligung von 1 % besitzen, ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagern. Als Folge unterliegen ggf. in den Anteilen enthaltene stille Reserven auch ohne Veräußerung der sog. Wegzugsteuer in Höhe von 60 % des fiktiven Veräußerungsgewinns. Bei einer nur vorübergehenden Abwesenheit entfällt die Wegzugsteuer rückwirkend, sofern die Rückkehr innerhalb von fünf Jahren erfolgt und die Rückkehrabsicht im Wegzugszeitpunkt glaubhaft gemacht wird. Beim Wegzug in EU-Staaten kann die Wegzugsteuer unabhängig von der Rückkehrabsicht bis zur tatsächlichen Veräußerung zinslos gestundet werden.
Sachverhalt: Der Kläger verzog nach Dubai unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes. Im Wegzugszeitpunkt hielt der Kläger Beteiligungen an mehreren Kapitalgesellschaften mit einer Mindestbeteiligung von 1 %. Zwei Jahre nach dem Wegzug kehrte der Kläger wieder nach Deutschland zurück. Die Wohnsitzaufgabe zeigte der Kläger dem Finanzamt erst ca. 2 Jahre nach dem Wegzug an mit dem Hinweis, dass es sich nur um eine vorübergehende Abwesenheit handle.
Das Finanzamt besteuerte im Wegzugsjahr die fiktiven Veräußerungsgewinne im Rahmen der Wegzugsbesteuerung. Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Argument, dass aufgrund seiner Rückkehr nach Deutschland innerhalb von fünf Jahren die Besteuerung rückwirkend wieder aufzuheben sei. Dem widersprach das Finanzamt mit der Begründung, dass der Kläger bei seinem Wegzug die Rückkehrabsicht nicht glaubhaft gemacht habe.
Begründung: Das FG Münster wies die hiergegen gerichtete Klage ab, ließ aber die Revision beim BFH wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er im Zeitpunkt seines Wegzugs den Willen hatte, zu einem späteren Zeitpunkt wieder nach Deutschland zurückzukehren. Der rückwirkende Wegfall der Wegzugsbesteuerung setze voraus, dass der Steuerpflichtige nicht nur innerhalb von fünf Jahren wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird, sondern zusätzlich auch den Nachweis, dass die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit beruht. Hierin ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal im Sinne einer im Wegzugszeitpunkt bestehenden Rückkehrabsicht zu sehen.
Das FG war der Ansicht, dass der rückwirkende Wegfall der Wegzugsteuer bei einer nur vorübergehenden Abwesenheit nicht für gescheiterte bzw. „abgebrochene“ Auswanderungen gilt. Die Absicht zur Wiederbegründung der unbeschränkten Steuerpflicht muss dem Finanzamt zwar nicht bereits beim Wegzug angezeigt, sondern kann auch erst bei der Rückkehr glaubhaft gemacht werden. Im Streitfall ist dem Kläger diese Glaubhaftmachung aber nicht gelungen.
Hinweis: Für die Glaubhaftmachung der Rückkehrabsicht sollte im Rahmen der Beweisvorsorge dokumentiert werden, dass ggf.
- der Umzug aufgrund eines zeitlich befristeten Anstellungsverhältnisses oder Projektauftrags im Ausland erfolgt,
- der bislang genutzte Grundbesitz nur zeitlich befristet an einen Mieter überlassen wird,
- die inländische Infrastruktur (Mobilfunkvertrag, Bankverbindung oder PKW) beibehalten wird,
- Vereinsmitgliedschaften beibehalten werden oder
- das inländische Vermögen nicht veräußert wird.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des sog. ATAD-Umsetzungsgesetzes mit Wirkung ab 2021 (verschärfend) geplant ist, die bisherige zinslose Stundung der Wegzugsteuer in EU-Fällen durch eine – auch für Drittstaatenwegzüge anwendbare – zinslose, aber nur noch ratierliche Stundung über 7 Jahre zu ersetzen. Im Gegenzug soll der bisherige Nachweis der Rückkehrabsicht bei Drittstaatenwegzügen wegfallen.