Reform der Hinzurechnungsbesteuerung mit Wirkung ab 2022 verabschiedet
Der Gesetzgeber hat am 25. Juni 2021 nach mehr als vier Jahren Bearbeitungszeit endlich die Reform der Hinzurechnungsbesteuerung verabschiedet, die gem. den Vorgaben der EU-ATAD-Richtlinie bereits zum 31. Dezember 2018 hätte umgesetzt werden müssen. Die positiven Erwartungen an die Reform wurden allerdings nicht erfüllt, da anstelle der von Vertretern der Finanzverwaltung in Aussicht gestellten Erleichterungen nun sogar eine erhebliche Verschärfung eingetreten ist.
Die Hinzurechnungsbesteuerung war bislang unter folgenden, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen anwendbar:
- «Deutschbeherrschung» einer ausländischen Kapitalgesellschaft durch in Deutschland ansässige Personen
- Niedrige Ertragssteuerbelastung mit weniger als 25% sowie
- Ausübung einer sog. «passiven Tätigkeit».
Besonders problematisch war die Definition der „passiven Tätigkeit“, die u.a. auch den Handels- und Dienstleistungs- und Softwareentwicklungsbereich erfasst, sofern eine Mitwirkung von in Deutschland ansässigen Gesellschaftern vorliegt oder umgekehrt Lieferungen oder Dienstleistungen an diese erbracht werden.
Im Rahmen der – mit Wirkung ab 2022 anwendbaren – Reform wurde nun weder der im internationalen Vergleich viel zu hohe Mindeststeuersatz von 25 % abgesenkt, noch die besonders ärgerlichen o.g. Mitwirkungstatbestände für den Handels-, Dienstleistungs- und Softwareentwicklungsbereich abgeschafft. Zudem wird die Herstellung von Software unverständlicherweise nach wie vor nicht als aktive Tätigkeit angesehen. Die erstmalige Behandlung von verdeckten Gewinnausschüttungen als passive Einkünfte dürfte zudem dazu führen, dass Verrechnungspreisanpassungen bei der ausländischen Kapitalgesellschaft auch im Verhältnis zu Drittstaaten zu einer Nachbesteuerung in Deutschland im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung führen werden, was für die Praxis ein Ärgernis darstellt und vom Gesetzgeber in dieser Form wohl nicht beabsichtigt war.
Kernelement der Reform ist die Einführung eines mehrheitsbezogenen Beherrschungskonzepts unter Berücksichtigung nahestehender Personen anstelle der bisherigen zufälligen Inländerbeherrschung. Dabei wird auch ein abgestimmtes Verhalten als beherrschend angesehen, was in der Praxis mangels klarer Definition zu Unsicherheiten führen dürfte. Ob mit der Einführung dieses gesellschafterbezogenen Beherrschungskonzepts das Ziel der Nichtanwendung des Motivtests im Verhältnis zu Drittstaaten wie der Schweiz für die reguläre Hinzurechnungsbesteuerung erreicht wird, ist aufgrund der Einbeziehung von nahestehenden Personen sehr fraglich, sodass abzuwarten bleibt, wie die Rechtsprechung dies beurteilen wird.
Positiv für die Praxis ist (lediglich) die Anrechnung der für das jeweilige Wirtschaftsjahr festgesetzten anstelle der (zufällig) in diesem Jahr entrichteten Steuer.
Im Ergebnis behält die Reform das bisherige Besteuerungskonzept im Grundsatz weiterhin bei, ohne dass es zu spürbaren Erleichterungen kommt. Stattdessen ist aufgrund der Unklarheiten beim neuen Beherrschungstatbestand sowie bei der Dividendenbesteuerung eine weitere Verschärfung für die Praxis zu befürchten, die zu zusätzlichem Konfliktpotential in Betriebsprüfungen und zu einem höheren Compliance- und Deklarationsaufwand führen dürfte.
Ausführlichere Informationen zur Reform der Hinzurechnungsbesteuerung sowie zur Anwendung der bisherigen Regelungen insbesondere im Verhältnis zur Schweiz können Sie dem aktuellen Artikel unseres Fachberaters für Internationales Steuerrecht Winfried Ruh im EXPERT FOCUS SPECIAL, Ausgabe September 2021, entnehmen.