Reguläre Hinzurechnungsbesteuerung: Eingeschränkte Anwendung gegenüber Drittstaaten wie der Schweiz aufgrund Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit
Die reguläre Hinzurechnungsbesteuerung ist nach Auffassung des BFH auch im Verhältnis zu Drittstaaten nur bei rein künstlichen Gestaltungen anwendbar, sofern mit dem Drittstaat ein rechtlicher Rahmen für einen gegenseitigen Informationsaustausch besteht.
Für deutschbeherrschte ausländische Kapitalgesellschaften, die einer Niedrigbesteuerung unterliegen, greift die Hinzurechnungsbesteuerung, sofern die Gesellschaft passive Einkünfte erzielt. Als Folge gelten deren Gewinne fiktiv an die Gesellschafter ausgeschüttet, ohne dass die nationalen Steuervergünstigungen für Dividenden anwendbar sind. Innerhalb der EU/des EWR kann die Anwendung der HZB aber vermieden werden, sofern über den sog. Substanztest gem. § 8 Abs. 2 AStG nachgewiesen werden kann, dass wirtschaftliche Gründe für die Einschaltung der Kapitalgesellschaft bestehen und der EU/EWR-Staat Auskünfte an Deutschland erteilt.
Nachdem der BFH mit Urteil vom 22.05.2019 bereits für die – bei einer Inlandsbeteiligung von nur 1 % anwendbaren – „erweiterte“ Hinzurechnungsbesteuerung für Kapitalanlagegesellschaften eine Beschränkung der mit Drittstaatenschutz ausgestatteten Kapitalverkehrsfreiheit bejaht hatte (vgl. hierzu unseren Blog vom 27.07.2020), erfolgte in dem vor einem Monat veröffentlichten BFH-Urteil vom 18.12.2019 die Bestätigung dieser Rechtsprechung auch für die „reguläre“ Hinzurechnungsbesteuerung. Voraussetzung hierfür ist aber, dass mit dem Drittstaat ein rechtlicher Rahmen zum gegenseitigen Austausch von Informationen besteht. Diese Voraussetzung dürfte erfüllt sein, wenn das DBA mit dem Drittstaat eine große Auskunftsklausel enthält. Unklar bleibt, ob zusätzlich auch das tatsächliche Auskunftsverhalten relevant ist, was von der Finanzverwaltung bejaht wird, im Urteilfall aber unproblematisch war.
Das Urteil dürfte weitreichende Folgen für die in der Praxis besonders wichtige Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz haben. Zwar hat der BFH im o.g. Urteil vom 22.05.2019 die Anwendung des Substanztests für eine CH-Kapitalgesellschaft verneint, allerdings betraf der Streitfall den Zeitraum vor der 2011 erfolgten Aufnahme der großen Auskunftsklausel in das DBA Schweiz. Da die Schweiz seit 2011 im Regelfall auch tatsächlich Auskünfte erteilt, dürfte die Hinzurechnungsbesteuerung für CH-Kapitalgesellschaften, die den Substanztest erfüllen, mit Wirkung ab 2011 nicht mehr anwendbar sein. Dies würde insbesondere für mittelständische Unternehmen mit CH-Tochtergesellschaften, die im Vertrieb oder Dienstleistungsbereich tätig sind, zu einer massiven (Bürokratie-)Erleichterung führen. Dies gilt in gleicher Weise für natürliche Personen, die alleine oder mit anderen in Deutschland ansässigen Gesellschaftern entsprechende CH-Kapitalgesellschaften beherrschen. Dem Vernehmen nach will die Finanzverwaltung zeitnah über die Anwendung des BFH-Urteils vom 18.12.2019 entscheiden.
Allerdings dürfte das im Rahmen der Reform der Hinzurechnungsbesteuerung zur Umsetzung der EU-ATAD-Richtlinie vorgesehene mehrheitsorientierte Beherrschungskonzept dazu führen, dass mit Wirkung ab 2021 die nur innerhalb der EU anwendbare Niederlassungsfreiheit die auch für Drittstaaten anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt, womit der Substanztest für Drittstaaten wie die Schweiz nicht mehr anwendbar wäre.